Bauwerk

Größter und aufwändigster mittelalterlicher Kornhausbau Sachsens

Gemeinsam mit dem Schloss Osterstein befand sich das Kornhaus in markanter städtebaulicher Eckposition und hatte eine wichtige Funktion im ehemaligen Stadtbefestigungsring zu übernehmen. Mit seiner sogenannten Tuchmacherbastei stand es unmittelbar am Stadtgraben.

In seiner Wirkung erscheint das Kornhaus auch heute noch monumental, wenngleich es in seiner architektonischen Gestaltung als reiner Zweckbau das schlichteste gotische Bauwerk in Zwickau darstellt. Mit einer Länge von 64 m, einer Breite von 18,9 m, einer Traufhöhe von 11,6 m und einer Firsthöhe von 27,4 m ist das Niedere Kornhaus der größte mittelalterliche Profanbau Zwickaus und zugleich der größte Kornhausbau Sachsens. 

Die Außenwände bestehen im unteren Teil aus Bruchstein, im oberen Teil bis zum Traufgesims aus Backsteinmauerwerk. Die Gebäudeecken oberhalb der Stadt- bzw. Zwingermaueranschlüsse und die Gewände der festgestellten ursprünglichen Fensteröffnungen an der stadtseitigen Südwand sind in Sandstein ausgeführt. Ebenfalls aus Sandstein gefertigt ist die in Form eines Rundpfeilers gestaltete Nordwestecke.

Die Außenwände des Kornhauses besitzen unterschiedliche Mauerstärken. Die nördliche Außenwand zur Straßenseite hin erreicht fast 2,2 m, die stadtseitige Südwand nur 1,85 m. Diese verschiedenen Mauerstärken resultieren aus der Wehrfunktion des Gebäudes.

Die Bedeutung des Kornhauses als Wehrbau zeigt sich zudem in dem Schießschartensystem. Von den noch feststellbaren zwölf Schartenmündungen sind drei im Erdgeschoss, eine im ersten Obergeschoss und eine weitere im zweiten Obergeschoss (heutiges Zwischengeschoss) weitgehend, die anderen - auch im dritten Obergeschoss - nur noch sehr fragmentarisch erhalten. Anhand von Lage und Abständen der kartierten Schartenmündungen sind je Geschoss weitere Schießscharten anzunehmen, die offensichtlich beim Einbau von Fenstern im 18., vor allem im 19. Jahrhundert „geopfert" worden sind.

Die enorme Wehrhaftigkeit des Kornhauses als Teil der Zwickauer Stadtbefestigung verstärkte die im Nordosten angefügte Tuchmacherbastei, die kurz vor 1800 abgebrochen wurde. Dieser auf Plänen und Ansichten sowie in den Schriftquellen überlieferte turmartige Wehrbau konnte 2011 vom Landesamt für Archäologie in seinen erhaltenen Substruktionen ergraben werden. Er besaß einen leicht hufeisenförmigen Grundriss von ca. 15,75 m x ca. 10 m. Die Mauerstärke betrug ca. 2,35 m.

Das Kornhaus war ursprünglich viergeschossig. Die Decke im Erdgeschoss lagerte erbauungszeitlich demnach auf sieben gemauerten Pfeilern sowie auf Holzstützen in der mittleren Längsachse. Ausschließlich Holzstützen befanden sich beidseitig entlang der Außenwände. Dieses System setzte sich in den Obergeschossen in Holz fort.

Das Dachwerk besaß ursprünglich sechs Dachgeschosse mit beidseits über die gesamte Gebäudelänge reichenden Schleppluken. Es handelt sich um ein gewaltiges Kehlbalkendach mit Hängesäulen sowie einem über die ehemals drei, jetzt zwei Untergeschosse reichenden doppelt liegenden Dachstuhl. Die je aus einem Stück gefertigten Sparren aus Tannenholz weisen bei fast

gleichbleibenden Querschnitten von ca. 28/24 cm eine Länge von ca. 18 m auf. Für den Zeitraum von 1511 bis 1782 ist eine Dacheindeckung mit Schiefer belegt, danach erfolgte eine Umdeckung in Ziegel.

Mit dem Umbau zum Arbeitshaus der Strafanstalt Schloss Osterstein 1835/36 erhielt das Kornhaus ein ausschließlich hölzernes Tragsystem mit Mittelstützenreihe und jeweils einer seitlichen Stützenreihe im Raster von ca. 3 - 4 m in den Geschossen. Weil das mittlere Geschoss als Arbeitssaal eine besondere Raumhöhe erforderte, erfolgte eine Reduzierung auf drei Geschosse. Veränderungen an den Fassaden ergaben sich durch den Einbau neuer größerer Fenster.

Im Dachwerk entstanden aus den unteren drei Dachgeschossen auf Grund der erforderlichen Raumöhe für den Einbau von Schlafsälen zwei Geschosse. Allerdings änderte sich mit dem Umbau auch hier das Tragsystem. Nach der jüngsten denkmalgerechten Reparatur und der Entscheidung, das Dach künftig ungenutzt als Kaltdach zu erhalten, ist das gesamte Dachtragwerk heute als eindrucksvolles handwerkliches Zeugnis mittelalterlicher Zimmermannskunst zu erleben und zu bestaunen.

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